Kriminologie bedeutet wörtlich übersetzt „Die Lehre vom Verbrechen”. Als interdisziplinäre Wissenschaft ist sie nicht zu verwechseln mit der Kriminalistik. Diese ist ein Verfahren zur Aufklärung von Verbrechen und Delikten. Dagegen ist das Ziel der Kriminologie, die Ursachen und Hintergründe zu verstehen, warum ein Mensch kriminell handelt oder gewalttätig wird in Wort und Tat. Sie sucht nicht nach der Schuld oder Unschuld, denn nach der Lesart der Kriminologie ist menschliches Verhalten oder sind die „Taten“ Einzelner oder ganzer Gruppen Kontext bezogen und unterliegen zuschreibungsrelevanten Kontexten.

Deshalb bedient sich die Kriminologie anderer Wissenschaften, wie der Rechtswissenschaft, der Psychiatrie, der Psychologie, der Psychoanalyse, der Neurobiologie, der Soziologie, der Pädagogik, der Ethnologie und der Anthropologie. Der Kriminologe beschäftigt sich mit der Entstehung und den Reaktionen auf abweichendes Verhalten bis hin zur Kriminalität. Neben dem psychologischen Persönlichkeitsprofiling ist die Viktimologie oder die Opferkunde ein wichtiger Wissenschafts- und  Forschungszweig .

In meiner Arbeit fußt das Verständnis kriminologischer Prozesses auf den psychodynamischen und unbewussten Prozesse der Konfliktbearbeitung des Einzelnen und großer Gruppen. Psychoanalytische Kriminologie oder auch die politische Psychoanalyse untersucht nationale und internationale Konflikte. Sie vermittelt ein Krisenmanagement u.a. zur Abwendung gewalttätiger Eskalationen. Zugleich dient sie der Befriedung und der Friedensforschung durch das Zusammenspiel von Psychoanalyse, systemischem Denken, Medizin und Kriminologie. So ist nicht nur das Individuum mein Patient oder Klient, sondern auf der „Couch“ liegen dann ganze Gesellschaften und das Zusammenwirken und die Bedingtheiten beider.


Mit welchen Fragen beschäftigt sich ein Kriminologe?

Der Kriminologe stellt sich die Frage, was Gewalt ist und wie sie ausgelöst wird. Was motiviert Straftäter und Terroristen? Brauchen wir überhaupt Strafe? Was ist der Sinn von Gefängnissen?

Neben theoretischem Wissen betreibt der Kriminologe Forschung mithilfe sozialwissenschaftlicher Methoden. Er sucht nach einer wissenschaftlichen Erklärung für die Verteilung und Veränderung von Phänomenen hinsichtlich der Kriminalität. Ziel sind Prävention, Sicherheit und Infragestellung herkömmlicher Kontrollsysteme durch eine Ist- und keine Soll-Analyse.


Die Richtungen der Kriminologie

Kritische Kriminologie

Sie beschäftigt sich mit Kontroll- und Kriminalisierungsprozessen und versteht sich als eine Ideologiekritik herkömmlicher Legitimationsprozessen in Gesellschaft, Politik, Psychiatrie und Strafrecht, die in ihrer Herkunft, Bedeutung und Funktion hinterfragt werden. Der Status quo wird immer hinterfragt. So auch die kriminologische Ikonographie, die versucht Menschen in Kunst und Fotografie zu kategorisieren, wie die typische Verbrecherfotografie. Sie beschäftigt sich auch mit der Vielfalt der kriminellen Darstellungen in der Kunst. 

Die Kriminologie schaut auf die Kriminalistik und bietet der Kriminalpolitik und der Kriminalistik andere als die herkömmlichen Täter-Opfer-Erklärungsansätze.

Kriminalpolitische Kriminologie

Dient vor allem der Kriminalprävention und erforscht kriminelles Verhalten und den Sinn und Zweck staatlicher Gegenmaßnahmen. Dabei lastet auf den Angehörigen unterer sozialer Schichten immer ein höherer anomischer (fehlende Ordnung) Druck als auf den höheren Schichten, d.h. es wird ihnen mehr zugemutet z.b. mit Migration klar zu kommen und zugleich wird das integrative Versagen  einer eh schon belasteten Bevölkerungsgruppe zugeschrieben. Die Kriminalität die sich hier deutlich und für alle erkennbar zeigt und sich in den Medien niederschlägt ist die Kriminalität der „schmutzigen Hände“ im Gegensatz zur White collar crime, oder der weißen Kragenkriminalität wie z.B. der Wirtschaftskriminalität.  Zu den Verbrechen der Mächtigen gehört neben der Wirtschaftskriminalität, die Umweltkriminalität, die Korruption, die Geldwäsche und Drogenkriminalität sowie das weite Feld der organisierten Verbrechen. Da das Strafrecht davon ausgeht, dass einzelne Personen eine Straftat begehen und nicht ein Unternehmen oder ein Staat, werden diese Vergehen oft nicht im gleichen Maße verfolgt.

Angewandte Kriminologie

Sie beschäftigt sich mit der Einzelfall-Kriminologie wie der realistischen Einschätzung krimineller Gefährdung eines Menschen oder einer Gruppe. Hierzu gehört beispielsweise die Prävention von Stalking und Intimpartnergewalt, Persönlichkeitsprofiling und Facial Action Coding System, sowie das Gewalt-Resilienz-Coaching.

Resilienz bedeutet die psychische Widerstandskraft: Hierzu gehört unter anderem Terrorismusanalyse, Amokläufer, Trittbrettfahrer und das weite Feld der Jugendkriminalität.

Sozialraum und abweichendes Verhalten: hierzu gehören die Erforschung der Entstehungsmilieus für Bandendelinquent. In bestimmten Milieus gehört das abweichende Verhalten zur dominanten Kultur (Häußermann und Kronauer) und die milieubedingte Inklusion bedingt wiederum eine gesamtgesellschaftliche Exklusion und verhindert u.a. den Zugang zu Bildungseinrichtungen. Häusermann und Kronauer sprechen auch von „räumlicher Segregation und innerstädtischem Ghetto.“

Viktimologie oder Opferforschung

Sie beschäftigt sich mit den Opfern von Verbrechen und Straftaten. Anhand einer Analyse der Persönlichkeitsstruktur wirkt sie beratend auf Opfer ein und stellt die Beziehungsstruktur zwischen Opfer und Täter heraus. Vor allem stellt sie heraus, wie diese das Opfer zum Opfer macht. So kann das Opfer die Täterschaft eindeutig identifizieren und sich von Schuld und Scham freimachen. Aus Erkenntnissen der Viktimologie können präventive Maßnahmen und Strategien entwickelt werden.

Kriminologie als Hilfe für Unternehmen

Kriminologische Analysen zur Vorbeugung normabweichendem Verhaltens in Unternehmen, u.a. die sexualisierte Gewalt in ihren unterschiedlichsten Ausdrucksformen.

Restorative Justice

Bedeutet übersetzt wiederherstellende Justiz, Gerechtigkeit oder die Konflikttransformation durch Wiedergutmachungsverfahren als Alternative zu gängigen Strafverfahren. Der Wiedergutmachung und der Sühne der Tat wird hier ein zusätzlicher Stellenwert eingeräumt. Es gelten nicht nur die Gesetze des Thalionsprinzip Auge um Auge und Zahn um Zahn im Sinne der Rache, der Vergeltung und der Straflust. Hier ist die Mediation hilfreich, die Zwei-Parteien-Mediation oder Konzepte wie Conferencing oder Circles. Die Restorative Justice vesteht sich auch als gesellschaftliches Konflikttransformationsverfahren von größeren Gruppen, Nationen, Ethnien.

Neurokriminologie & Resilienz

Gewalt-Resilienz-Forschung mit der Entdeckung unbewußter Prozesses und der darauf aufbauenden Veränderung vertrauter Verhaltensweisen. Denn die traumatisch bedingte Veränderung der Neurobiologischen Strukturen eines Menschen führt oft zur lebenslangen Täterbindung und zu der sogenannten Identifikation mit dem Aggressor oder auch dem Stockholm-Syndrom.

Kriminologie und Genderdebatte

Fragen zur geschlechtsspezifischen Kriminalität.

Friedensforschung und Genozidforschung sowie Kulturkriminologie

Die Erkenntnisse der psychoanalytischen Kriminologie dienen der Kriegs- und Friedensforschung durch Befriedung unbefriedigter menschlicher Zustände sowie Großgruppenforschung.

Das Wissen über Entwicklungskriminologie und posttraumatisches Wachstum sind hilfreiche Gegenspieler zu Gewaltphänomenen. Ebenso wichtig sind hier das Verständnis von Labeling und Etikettierungstheorien, Entstehungsmilieus und Bandendelinquenz. Milieutheorie, Exklusion durch Segretion und Stadtteilgentrifizierungen